Die stille Macht der Materialien – Warum Europas Verteidigungsfähigkeit an Rohstoffen hängt
- 27. Mai
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Mai 2025 | Analyse von Alina Pieper
Europa erlebt eine sicherheitspolitische Zeitenwende. Mit milliardenschweren Rüstungspaketen wollen Regierungen ihre Streitkräfte modernisieren und auf Bedrohungen reagieren, die längst Realität sind: ein zunehmend aggressives Russland, eine globale Neuordnung, instabile Lieferketten. Doch während Panzer und Kampfflugzeuge öffentlichkeitswirksam ins Rampenlicht rücken, findet ein viel entscheidenderer Wettlauf hinter den Kulissen statt – der um kritische Rohstoffe.
Rohstoffe: Das Rückgrat moderner Verteidigung
Ob Kampfdrohne, Marschflugkörper oder F-35-Kampfjet – kein modernes Waffensystem funktioniert ohne eine Vielzahl hochspezialisierter Metalle. Insbesondere Gallium, Germanium und schwere Seltene Erden (z. B. Dysprosium, Terbium, Yttrium, Gadolinium) sind unverzichtbare Bestandteile:
Gallium findet sich in Hochfrequenzbauteilen, Radartechnologie und Satellitenkommunikation.
Germanium ist für Nachtsichtgeräte, Infrarotoptiken und Satellitensensoren unersetzlich.
Schwere Seltene Erden werden für Triebwerke, Magnetantriebe, Lenkwaffensysteme und Laser eingesetzt.
Allein ein einziges Kampfflugzeug vom Typ F-35 enthält laut US-Verteidigungsministerium über 420 Kilogramm kritischer Metalle – der Großteil stammt aus China.
Europas Schwäche: Abhängigkeit vom Ausland
In den vergangenen Jahrzehnten hat Europa systematisch seine Abhängigkeit von globalen Rohstofflieferanten erhöht – nicht zuletzt durch die Auslagerung der Verarbeitungsketten, rigide Umweltauflagen und fehlende Investitionen in eigene Lagerstätten.
Heute bedeutet das:
Über 90 % der schweren Seltenen Erden stammen aus China
Nahezu 100 % des verfügbaren Galliums kommen aus China
Die Germaniumverarbeitung liegt ebenfalls überwiegend in chinesischer Hand
China hat erkannt, welche strategische Hebelwirkung dieser Vorsprung bietet – und handelt. Seit Frühjahr 2025 sind Exportmengen limitiert, Genehmigungsverfahren verschärft, Märkte nervös.
Die Industrie reagiert – spät, aber intensiv
Rüstungsunternehmen wie Rheinmetall, Airbus Defence oder Hensoldt reagieren mit massiven Vorratskäufen.
Hensoldt hat seine strategischen Rohstoffreserven zwischen 2021 und 2024 um über 60 % erhöht.
Rheinmetall verdoppelte den Wert seiner Vorräte auf knapp 4 Milliarden Euro.
Parallel dazu haben Staaten wie Deutschland, Frankreich und Großbritannien begonnen, nationale Rohstoffreserven aufzubauen. Auf EU-Ebene existiert mittlerweile eine „Strategische Rohstoffinitiative“, die bis 2030 vorsieht, mindestens 10 % der benötigten Metalle selbst zu fördern und 40 % innerhalb Europas zu verarbeiten. Doch bis diese Ziele Realität werden, dürften fünf bis zehn Jahre vergehen.
Der entscheidende Unterschied: Besitz statt Zugriff
In geopolitisch unsicheren Zeiten zeigt sich der wahre Wert physischer Rohstoffe. Wer strategische Metalle nicht nur kaufen, sondern lagern und sichern kann, besitzt nicht nur Vermögen – sondern Handlungsfähigkeit.
Denn im Gegensatz zu Finanzprodukten oder ETFs sind physisch eingelagerte Rohstoffe nicht von Börsenkursen oder Lieferzusagen abhängig. Sie sind verfügbar – und damit faktisch systemrelevant.
Fazit: Die Zeitenwende hat ein Materialproblem
Der Wiederaufbau der europäischen Verteidigungsfähigkeit wird nicht an Technologie oder Geld scheitern – sondern am Zugang zu den Materialien, die dafür nötig sind. Wer heute über Gallium, Germanium und schwere Seltene Erden verfügt, ist dem Markt, der Politik und der Industrie strategisch Jahre voraus.
In einer Welt, in der Versorgungssicherheit zur Währung wird, gewinnen Sachwerte eine neue Bedeutung. Und Metalle, die gestern noch als Nischeninvestment galten, entwickeln sich zur Grundlage geopolitischer Handlungsfähigkeit.
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